Drei Jahre ohne Haarspray





Vor ungefähr drei Jahren habe ich ein Experiment gemacht.
Drei Monate habe ich meine Haare weder gekämmt, geföhnt, noch geglättet - geschweige denn, Haarspray benutzt.
Gewaschen habe ich sie alle zwei Tage.

Ich habe zwei Dreadlocks davongetragen und nachdem die zweite nun auch einfach abgefallen ist, dachte ich, es ist an der Zeit, mal einen richtigen Beautybeitrag zu machen.

Warum habe ich meine Haare drei Monate lang so gehen lassen?

So gehen lassen - so vernachlässigt - so verwildern lassen
Ich wollte einfach sehen, wo das hinführt. Was ist eigentlich die grundlegende Struktur meiner Haare? Da ich früher sehr viel Haarspray benutzt habe, kannte ich meine Haare eigentlich nicht ohne Haarspray. Ich habe mich ohne Haarspray nicht mehr wohl gefühlt und dachte mir, das geht so nicht weiter. Ozonschicht, Umweltfreundlich und so weiter. Vor allem hasse ich diesen Geruch und das Gefühl, das Haarspray würde nicht nur meine Haare, sondern auch meine Lungenwände verkleben.

Damit war Schluss.
Für drei Monate.
Und danach für immer.

Dadurch, dass ich drei Monate meine Haare nicht gekämmt habe, war kämmen danach - und ist es bis jetzt - ein richtiges rausputzen für mich. Wenn ich meine Haare gut durchkämme habe ich tatsächlich das Gefühl, ich hab mich richtig fein gemacht. Es fühlt sich einfach gut an.
Mittlerweile glätte und föhne ich sie wieder. Ohne Hitzeschutz. 
Und meine Haare sind super gesund!
Früher hatte ich immer diesen lästigen Scheitel am Hinterkopf. Dann wurde ordentlich tupiert (furchtbare Zeit) und gehaarsprayt. 
Dieser Scheitel kommt gar nicht mehr. Ohne Mist - meistens wache ich auf und meine Haare sind so, dass ich nach dem kämmen aus dem Haus gehen kann.

Ich werde nie wieder so Sätze benutzen wie
"Also bei MEINEN Haaren ist das so, ..." 
"Bei MEINEN Haaren klappt das nie...." 
"Bei MEINEN Haaren ist das GANZ SCHLIMM..."
Weil ich weiß, dass es nicht meine Haare sind, sondern das, was ich daraus gemacht habe. 
Denk mal darüber nach. 

Ich benutze jetzt nur günstiges Shampoo und billiges Apfelessig (nach dem Haarewaschen 1 EL Apfelessig auf 500ml kaltes Wasser über die Haare kippen, nicht ausspülen, abtrocknen)
Und sonst schmier ich nichts da rein. Doch - ab und zu Kokosöl, hipster und so.




Und dann meine Haut

Ich habe jetzt auch fast zwei Jahre keine Creme benutzt. Ich habe mir Öle zusammen gemischt und mit etwas Wasser auf die Haut geschmiert. Jetzt zur Winterzeit mische ich auch ein wenig Feuchtigkeitscreme drunter, aber ich weiß - meine Haut kann auch ohne Creme!

Wenn ich weg fahre, packe ich nur folgendes ein:
Shampoo, Duschgel (ich benutze tatsächlich das gleiche Zeug für Gesicht und Körper - ich Kulturbanause), einen Schwamm - da bin ich pingelig, Zahnbürste, Zahnpasta, Hautöl und Deo (Rolldeo, sind wir doch mal ehrlich, bei Sprühdeo riecht man nur nach Schweiß mit Vanille)
Das wars. Was für ein geiles Leben!

Ich habe übrigens einen Beautykoffer zu verschenken. Jahrelang habe ich ihn auf Reisen mit allen möglichen Schrott gefüllt, von dem ich dachte, dass ich ihn brauche.

Im Sommer ist meine Haut auch ohne Creme nicht trocken. 
Früher habe ich sie einfach eingecremt, ohne zu wissen ob sie überhaupt trocken ist.

Meine Haare habe ich mit Haarspray zugekleistert und mich über die komischen Wirbel geärgert - die ohne Haarspray plötzlich gar nicht mehr da waren!

Tatsache ist, ich gehe nicht mehr in Drogeriemärkte. Ich brauche sie nicht. Ich war in drei Jahren ungefähr drei mal in Rossmann und habe mir Waschsoda gekauft. 
Die Beautyecke in Aldi und Rewe reicht mir.

Ich wollte nicht mehr darauf vertrauen, dass ich das brauche, was alle anderen brauchen - oder meinen, zu brauchen.

Beautymarken sind eine wahre Mafia, die wissen, was Frauen schwach macht und sich daran bereichern. Es gibt Cremes für jede Tageszeit. Das alles macht mich mittlerweile absolut wahnsinnig. Es gibt Millionen Reinigungsprodukte die wir benutzen können, nachdem wir unser Gesicht mit Dingen bemalt haben, die mehr decken, verstopfen und verkleben als meine Acrylfarben. 

Das weitet sich dann aufs putzen aus. Reiniger für die Küche, für's Bad, für Flächen, fehlt nur noch, dass es nach Tageszeit geordnet ist. Von der Vielfalt der Lappen will ich nicht einmal schreiben.
Ich habe zuhause Essig, Waschsoda und Spülmittel. Und ätherisches Orangenöl.
Leute - was für ein geniales Leben.

Ich schreibe das alles nicht, weil ich ein auf MINIMALISMUS machen möchte. Das macht niemanden glücklich und ist einfach nur ein lästiges Gesprächsthema, das die Gespräche rund um Schminke, Cremes und son Zeug ersetzt.

Mir geht es darum, dass wir das meiste, was die Welt, was der Markt, was die Werbung uns verkaufen will - NICHT BRAUCHEN! 
Es wird euch überraschen, aber die Werbung ist nicht danach ausgerichtet, was wir brauchen, sondern was uns das Geld aus den Taschen zieht.
Die Regale in den Läden sind nicht danach sortiert, was wir benötigen. Sie stellen das rein, wofür wir bereit sind, Geld auszugeben.
Nur weil es Reihenweise verschiedene Cremes im Laden gibt, heißt es noch lange nicht, dass wir das brauchen.
Ihr glaubt nicht, an wie vielen Regalen ich einfach vorbei gehe.




Ich brauche das nicht!


Erst, wenn dieser Satz kein komischer, erdrückender, verunsichernder Gedanke, sondern eine Pure Erleichterung ist, können wir ihn mit Selbstsicherheit aussprechen und mit wirklich sauberem Gesicht durch die Gegend grinsen.









Aber der springende Punkt ist...
Tatsache ist...
Warum ich das schreibe...
Das Ding ist doch...


Ich lebe mit Jesus und deshalb hat mich dieser ganze Prozess an meinem Leben nur daran erinnert, wie ich mit den Lastern in meinem Leben umgehe.

Unsicherheit - Alle Mädchen sind unsicher. Als Kind hat man mir in der Schule, in den Filmen und in der Musik doch immer wieder gesagt dass ich nicht unsicher zu sein brauche, was bedeutet, dass ich wohl unsicher bin. Ich armes armes Ding.
Außerdem sind alle Mädchen unsicher und irgendwie ist das ja auch ein bisschen süß.

Minderwertigkeitskomplexe - Schuld, gepaart mit Unsicherheit und fehlender Liebe - die mich an mir und letztendlich an meinem Aussehen zweifeln ließen. Wir dürfen uns ja nicht zu schön finden, lieber zu viel an sich zweifeln, als selbstverliebt zu sein. Das Mittelmaß ist "so schwierig" (wie alles in unserem Hormon- und Schokoladengesteuerten Leben) und Minderwertigkeitskomplexe gehören ja schließlich bei jedem Mädchen ins Beautyköfferchen. Gibt es für verschiedene Tageszeiten übrigens. Wir sind ja so komplizierte, so tiefe Geschöpfe, wir Mädchen. *kicher* wir verstehen und selbst nicht ganz. 

Organisierte Dummheit - Ich kann halt einfach kein Mathe, das alles versteh ich sowieso nicht, hab das noch nie verstanden, "ich bin zu dumm dafür" "was kann ich eigentlich?" ein kleiner Lacher dahinter, ein hochziehen der aufgemalten Augenbraue und geschickt haben wir uns aus allem raus gehalten. Wir spielen die Naiven, weil das so unwiderstehlich süß ist (außerdem finden wir es kalt, es stinkt immer und beides müssen wir immer ganz laut rumschreien). Außerdem ist ein guter Nebeneffekt: Wenn wir dann doch mal was Kluges sagen, sind alle aus den Socken! Aber wir brauchen dann halt nicht mehr lernen, nicht mehr Fehler zugeben, weil "wir sind sowieso zu dumm dafür"
Sagt jedes Mädchen, finden wir witzig, finden wir süß.






Ich hab das alles mit mir rum getragen. Habe ich das alles nicht empfunden, habe ich halt so getan, weil alle das machen. Bin doch ein Mädchen. Einer unserer top 10 Lieblingssätze ist "Bei MIR ist das GANZ SCHLIMM!"
Aber dann habe ich ein Seelendetox durchgeführt und eigentlich, ganz eigentlich, brauche ich nichts von diesen Sachen.
Ich gehe jetzt einfach winkend, bekloppt grinsend und tanzend daran vorbei.

Ich brauche das nicht!